Erwin Rückerl und seine Frau Anja Horn-Rückerl leiten seit 2000 das heutige Designhotel Hofgut Hafnerleiten (www.hofgut.info) in Bad Birnbach bei Passau. Gestartet war der Hausherr 1999 als er im Hofgut die erste Kochschule Niederbayerns eröffnete. Konsequent haben die beiden ihr Konzept weiterentwickelt und so eine Wohlfühloase mit Hotel, Restaurant und Wellness geschaffen. 2005 eröffneten sie das „etwas andere Hotel“ mit sieben Themenhäusern, die sich auf dem weitläufigen Grundstück verteilen – ein Traum für die Hausherrin. Wellness heißt im Hofgut WOHLZEIT und kam im Herbst 2011 dazu. 2013 ergänzten Erwin und Anja das Rückzugsangebot mit drei weiteren Ferienhäusern. Wie man in einer stressigen Branche aus dem Nichts ein Vorzeigeobjekt aufbauen kann, und dabei sich selbst, die Familie und die Partnerschaft im Blick behält, verraten Anja und Erwin hier.
Wie hat alles angefangen?
Der Anfang liegt weit zurück. Erwin Rückerl kam als Koch mit Ende 20 von seinen prägenden Auslandsjahren in Italien aus Sardinien zurück. Von der Vorstellung, in Italien sesshaft zu werden, war er abgerückt und als er das familieneigene Hotel nur als Pächter hätte übernehmen können, fand er 1991 das Grundstück des heutigen Hofguts im Immobilienteil der Süddeutschen Zeitung und schlug zu.
Es war Liebe auf den ersten Blick, obwohl das Gut in einem schlechten Zustand war. Das bedeutete erst einmal viel Arbeit. Neben seiner selbstständigen Tätigkeit in Oberaudorf baute Erwin das Hofgut und die Kochschule in Bad Birnbach auf. 1999 lernte er Anja kennen, damals Geschäftsführungsassistentin in einem Hotel, wo er als „Leih“-Koch tätig war. Die beiden taten sich zusammen und bauten die Kochschule und den Eventbereich weiter aus. Der Anreiz für Anja war, dass es damals keinen normalen Restaurantbetrieb gab. Aber eine gemeinsame Vision: „Mein Traum war von Anfang an, dass wir mit Kindern und Mitarbeitern eine Familie sein würden, die gemeinsam an einem Tisch sitzt und das Hofgut voranbringt“, erzählt Erwin.
Was war Eure größte Herausforderung?
Das war die Erweiterung des Hofguts zum heutigen Designhotel „Wir brauchten eine Baugenehmigung für die Themenhäuser, doch eigentlich war es nicht vorgesehen, dass man auf diesem Gelände bauen darf“, erklärt Erwin. Es gab erhebliche Widerstände gegen die Pläne, die Gemeinde hat sich lange geweigert, die Genehmigung zu erteilen. Es wurde ein vier Jahre währender Kampf. Und die Finanzierung des Projektes war auch nicht einfach.
Wie habt Ihr diese Herausforderungen bewältigt?
Mit Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen. Anja: „Weil hier kein Baugebiet war, hatten wir ein Problem. Und wir waren beide nicht von hier. Ich hatte wohl eine Zeitlang in Bad Birnbach gearbeitet und kannte einige Leute, aber Erwin ist dann doch bei den Gemeinderäten von Haus zu Haus gegangen und hat versucht, sie von unserem Projekt zu überzeugen.“ Nach vier Jahren hat das Landratsamt die Pläne zum Schluss für gut befunden und sich mit der Gemeinde darauf geeinigt, ein Sonderbaugebiet auszuweisen. Dann konnte es endlich losgehen, doch keine der ortansässigen Banken wollte das Bauvorhaben finanzieren. Schließlich fand sich ein Bankinstitut in Österreich und 2005 konnten Erwin und Anja die Themenhäuser eröffnen.
Was waren Eure größten Erfolge?
Anja: „Die Kinder, die Mitarbeiter und die Architekturpreise!“ Anja hatte die damals fünfjährige Tochter Natascha mit in die Ehe gebracht, acht Jahre später kam die gemeinsame Tochter Elina zur Welt. Anja: „Natascha war von Anfang an auch Erwins Kind. Sie hat 2016 ihre Ausbildung zur Touristikkauffrau an der Hotelfachschule Klessheim abgeschlossen und arbeitet heute in einem Sternerestaurant in der Küche. Elina ist vormittags in der Schule, und abends beim Apero oft dabei.“ Mit ihren Kindern leben Anja und Erwin den Mitarbeitern vor, dass auch in der Gastronomie Familie und Beruf zusammengehen. Sie betrachten ihre Mitarbeiter als Familienmitglieder und kümmern sich auch um deren persönliche Belange. Erwin: „Manchem Bewerber, der einfach nur seinen Job ohne ‚Familienanschluss‘ machen will, ist unser Konzept dann auch schon mal befremdlich. Aber es muss ja nicht jeder passen.“ Und wenn es passt, dann identifizieren sich die Mitarbeiter auch mit dem Hofgut und seiner Philosophie. Trotz der branchenüblichen Belastung schaffen es Anja und Erwin, dass es menschlich zugeht in ihrem Betrieb. Bei allem Engagement, das die Arbeit erfordert, bleibt für jeden das Privatleben planbar und berechenbar. Besonders stolz sind die beiden auf ihre Architekturpreise. Für die Themenhäuschen erhielt 2006 das mit der Planung befasste Studio LOT den BDA Preis Bayern und für die Wohlzeitwürfel bekam das Architekturbüro Format Elf den arturo 2013.
Was ist aus Eurer Sicht ausschlaggebend für ein glückliches und erfolgreiches Leben als Unternehmer-Paar?
Als erstes nennen die beiden Liebe und Vertrauen. Anja: „Das ist das Fundament von allem, die Liebe sowieso, aber auch das Vertrauen in den Partner, in sein Können und seine Persönlichkeit und seinen Charakter.“ Sie wissen auch, dass sie ohne ihre gemeinsame Vision nie so weit gekommen wären. Zentral finden sie eine klare Arbeitsteilung. „Ich kümmere mich um‘s Bauen, also von der Planung bis zur Finanzierung, und um die Küche. Anja macht alles andere, also Service, Hotel und den Löwenanteil mit den Kindern und dem Haushalt.“ Anja findet die Arbeitsteilung in Ordnung, auch wenn sie meint, dass die Frauen sich durch die Emanzipation noch mehr aufgehalst haben als früher. Aber sie sagt, einer müsse schließlich für das Privatleben zuständig sein. „Wir sind beide Qualitätsfanatiker und wissen, dass es ohne Einsatz und Disziplin nicht funktionieren würde. Aber in unserer Familie gab es nur starke Frauen. Entweder Du packst es oder nicht!
Wie geht es Euch gerade jetzt?
Sie sind stolz auf das, was sie erreicht haben, doch sie haben auch noch Pläne. Und die lassen sich gerade nicht so zügig umsetzen wie Anja und Erwin es gerne hätten. Der nächste Umbau im Hofgut sollte eigentlich schon begonnen sein, aber es gibt Verzögerungen. Das drückt auf die Stimmung. Und die Arbeitsbelastung ist nach wie vor hoch, an sieben Tagen pro Woche. Anja würde da gern etwas ändern: „Selbst der Einzelhandel hat doch mal zu.“ Sie hat das Ziel, nicht mehr selbst im Dienstplan zu stehen, ist im Moment aber an der ‚Gästefront‘ noch nicht abkömmlich. Sie möchte auch mit Erwin mal zwei Wochen wegfahren können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Das ist noch schwierig. Erwin sagt: „Nach vorne gucken, positiv denken, dann wird das schon.“
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Gespräch geführt im Juni 2017