Es war einmal ein Königreich, das ausschließlich vom Anbau besonders guten und in der ganzen Welt geschätzten Weins lebte. Das Königreich erfreute sich eines weisen und gütigen Herrschers, der stets bestrebt war, seinem Volke ein glückliches Leben zu ermöglichen.
So dachte er eines Tages darüber nach, wie er seinem Volke die hohen Steuerabgaben ersparen können, die für die Bereitstellung einer guten Infrastruktur notwendig waren. Nach einigem Grübeln kam ihm der zündende Gedanke: ein jeder Bürger sollte jährlich zur Weinernte eine Flasche Wein seiner besten und kostbarsten Reben abgeben und ihn in ein enormes Fass gießen. So gäbe es am Ende ein riesiges Fass mit dem besten Wein der Welt. Diesen wollte der König zu hohen Preisen verkaufen und mit dem Erlös die Ausgaben für die Infrastruktur des Landes decken. So müsste kein Bürger mehr Steuern zahlen und gemeinsam könnte das Volk dafür sorgen, dass es dem Lande gut ginge.
Die Bürger waren begeistert und das ganze Land bereitete sich auf das erste große Erntedankfest vor. Alle Bürger fanden sich auf dem großen Platz vor dem königlichen Palast ein und standen Schlange vor dem großen Fass. Als ein jeder seinen Beitrag zum königlichen Wein in das Fass gegeben hatte, hielt der König eine berührende Rede, schöpfte ein Glas des kostbaren Weines und hob an, auf das Wohl seines Landes und seines Volkes einen feierlichen Schluck zu trinken.
Doch kaum hatte er das Glas an seine Lippen angesetzt, erstarrte seine bis dahin fröhliche Miene. Was er trank, war pures Wasser!
Verlegen schauten sich die Bürger an. Jeder bereute es, gedacht zu haben: „Ach, bei all den vielen Litern vorzüglichem Wein wird es ja nicht auffallen, wenn ich eine Flasche Wasser hineingieße!“
Und so viel das Freudenfest – ins Wasser.
Das ist eine Parabel aus Süddeutschland, deren Quelle unbekannt ist. So gefunden in dem Buch „Storytelling – Konflikte lösen mit Herz und Verstand