Lebenssituation Unternehmerpaar: Chance oder Risiko?

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Interview mit Christiane Windhausen | Expertin für Systemische Beziehungsgestaltung

powerpaare.net: Du hast in Deiner Praxis viele Paare kennengelernt, die ihre Beziehung verbessern oder retten wollen. Was sind die häufigsten Probleme und ihre Ursachen?
Christiane W.: Meistens liegt die tiefere Ursache in den Unterschieden der Herkunftsfamilien: Jeder bringt eine andere Geschichte, andere Werte, eine andere Art der Kommunikation mit. Auslöser sind oft akute Krisen, also zum Beispiel Krankheitsfälle, Arbeitslosigkeit oder ähnliches. Es gibt aber auch die Fälle, wo einer sich weiterentwickeln möchte, zusätzliche Fähigkeiten erlernen will, den Wunsch verspürt, an sich zu arbeiten. Und der andere bremst ihn aus, weil er Angst um die Beziehung hat. Wenn Paare an sich arbeiten, jeder für sich und beide zusammen, werden sie dadurch einerseits unterschiedlicher, andererseits sind sie anschließend oft enger verbunden als vorher. Die Frage ist, wie kann man sich gegenseitig Raum für eine positive Entwicklung geben?

Wie unterscheidet sich aus Deiner Sicht die Situation von Paaren, die als Angestellte in verschiedenen Firmen arbeiten, von der Lebenssituation „Unternehmerpaar“?
Christiane W.: Angestellte kommen entweder mit Beziehungs- oder mit Jobproblemen zu mir, Beziehung und Arbeit sind da unterschiedliche Welten, während es bei Unternehmerpaaren eine enge Verflechtung gibt. Beziehungsprobleme wirken sich hier gleich auf die Firma aus. Dazu kommt, dass die Zeiten sich geändert haben. Paare, die vor 50 Jahren gegründet haben, kommen noch aus einer Tradition, in der es ums Aufbauen, Überleben und Hinterlassen geht. Die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und die eigene Entwicklung zählten da nicht viel. Heute beanspruchen die jüngeren Unternehmerpaare für sich mehr Flexibilität und mehr Eigenentwicklung. Sie fragen sich: „Worauf habe ich Lust?“ und sie gehen davon aus, dass sich im Laufe des Lebens vieles ändern wird.

Bedeutet die Lebenssituation „Unternehmerpaar“ nach Deiner Erfahrung eher Chance oder mehr Risiko für eine glückliche Paarbeziehung?
Christiane W.: Viele Paare können sich gar nicht vorstellen, mit ihrem Lebenspartner auch noch zusammen eine eigene Firma zu gründen. Andere finden das toll. Sie wollen gemeinsam etwas schaffen, zusammen sein und voneinander lernen – möglichst sieben Tage die Woche. In der Regel wählen wir das, woran wir wachsen und uns entwickeln wollen. Gerade als Unternehmerpaar ist es wichtig, einen professionellen Umgang mit den eigenen Gefühlen zu entwickeln. Die muss man (er)kennen und einordnen können, denn negative Gefühle können leicht entstehen. Zum Beispiel wenn vom Partner Dinge erwartet werden, die er/sie nicht leisten kann. Oder wenn beide Anerkennung und Dankbarkeit für den eigenen Beitrag zum Unternehmenserfolg vermissen. Ohne Dankbarkeit können wir weder uns, noch unser Unternehmen in eine neue Richtung bewegen. Bei Gründerpaaren ist die Lage noch relativ überschaubar. Komplizierter ist es, wenn einer der Firmenerbe ist und der andere eingeheiratet hat. Oder wenn die Elterngeneration noch mit im Betrieb aktiv ist.

Ich empfehle Paaren, die miteinander auch eine berufliche Partnerschaft eingehen, immer eine kontinuierliche Supervision durch passionierte Profis. Und zwar sowohl für sich selbst, wie auch für die Partnerschaft und für das gemeinsame Unternehmen. Wenn es um Unternehmerpaare geht, arbeite ich niemals alleine. Mein Tipp ist, dafür nach einer ‚Patenschaft’ zu suchen, die ebenfalls in Kombinationen arbeiten. Wenn man zu viert zusammenkommt, kann der Spielraum für Unterschiede wachsen – und wirksame Lösungen werden möglich.

Sind Betrieb und Wohnung an einer Adresse, führt das zu einer starken Vermischung von Haushalt und Erwerbstätigkeit. Ist das aus Deiner Sicht eher gut oder schlecht für die Paarbeziehung?
Christiane W.: Ich finde das eher schlecht, weil die Trennung von Beruf und Privatleben sowieso schon schwer genug ist. Das Liebesgeflüster geht ja in der Regel nicht mit in die Firma, sondern die Firmenprobleme gehen mit ins Ehebett. Dabei muss man sich darüber klar sein, dass die Firma im Wesentlichen von der Beziehung lebt. Ist die Beziehung intakt, gehen einem viele Dinge ohne Anstrengung von der Hand. Das verleiht uns eine besondere Energie, die dem Firmenerfolg zugutekommt.

Was kann man einem jungen Paar mit zwei kleinen Kindern und einem kürzlich übernommenen Betrieb raten, wenn sie feststellen, dass ihre private Beziehung eigentlich nicht mehr stattfindet?
Christiane W.: Zunächst einmal kann man sie dazu beglückwünschen, dass sie das festgestellt haben. Es gäbe ja auch die Möglichkeit mit dem Zustand zu leben und so auf Dauer die private Beziehung zu ruinieren. Wenn auffällt, dass etwas fehlt, kann man die Reißleine ziehen und dafür sorgen, dass man das private Glück nicht auf dem Altar der Firma opfert. Konkret heißt das meistens: mehr delegieren, mehr Vertrauen in die Mitarbeiter setzen und Räume für das Private schaffen.

Wenn jemand nach 15 oder 20 Jahren plötzlich sagt, dass er/sie aus der Firma raus will, was kann man da tun?
Christiane W.: Will einer raus, ist das immer dramatisch, weil der andere das oftmals als Kränkung oder Verrat empfindet. Harmonisch umsetzen kann man das nur nach gründlicher Prüfung, sorgfältiger Vorbereitung und einem vernünftigen Zeitplan. Ängste kommen immer auf, wenn der Ausstieg zu schnell gehen soll, wenn die Schritte zu groß sind. Manchmal finden Paare mit professioneller Unterstützung aber auch den Weg zurück und setzen ihre Zusammenarbeit fort. Das läuft meistens darüber, dass sie ihre Gründerjahre in die Würdigung holen und zu Wertschätzung und Dankbarkeit finden.

Kann es funktionieren, wenn ein Unternehmerpaar sagt: „Wir haben uns auseinandergelebt und wollen uns privat trennen, aber trotzdem in der Firma weiter zusammenarbeiten.“?
Christiane W.: Das kommt vor allem darauf an, wie die private Trennung abgelaufen ist. Ist man rücksichtvoll und fair miteinander umgegangen oder gab es einen Rosenkrieg? Es läuft manchmal ganz gut, wenn beide Partner Freunde bleiben. Das kommt aber nicht häufig vor. In der Firma ist die Lage bei einer privaten Trennung auch schwierig. Man muss es den Kunden sagen, die Mitarbeiter merken es sowieso ganz schnell. Diejenigen, die wegen des besonderen Klimas eines Familienunternehmens dabei waren, gehen dann oft. Andere solidarisieren sich mit jeweils einem der beiden (ehemaligen) Partner und spalten so die Belegschaft. Ich kenne ein Beispiel, wo am Schluss der Mann die Firma an seine ehemalige Frau verkauft hat, weil es zu zweit dann doch nicht ging. Aber wie gesagt, es gibt auch Beispiele, wo es geklappt hat. Eigentlich müssen die Partner bereits in dem Moment, wo sie sich als Lebenspartner auch in der Firma zusammentun, die Sache vom Ende her durchdenken. Sich also fragen, was wäre denn mit der Firma, wenn wir uns einmal trennen sollten? Denn sie sind dann als Paar nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich, sondern zusätzlich für die Firma und die Mitarbeiter. Man braucht einen Notfallplan, wenn die Firma auch überleben soll, wenn das Paar scheitert.

Sind die gegenseitigen Abhängigkeiten durch Arbeitsteilung (geschäftlich und privat) in der Konstellation „Unternehmerpaar“ ein stabilisierender Faktor oder zum Schluss eher eine Quelle von Frust?
Christiane W.: Wenn ein Paar es schafft, die gegenseitige Unterschiedlichkeit so zu nutzen, dass jeder das macht, was er besser kann als der andere, können sich beide positiv entwickeln. Man muss ja nicht alles können, aber jeder will seine Stärken ausleben. Natürlich entsteht dadurch auch eine Art von gegenseitiger Abhängigkeit und die ist bei Unternehmerpaaren größer als bei abhängig Beschäftigten, weil es ja gleich zwei Felder sind, auf denen man sich Aufgaben teilt, das Privatleben und die Firma. Gegenseitiger Frust kommt dann auf, wenn man die eigenen Aufgaben als höherwertig einstuft und die des anderen als minderwertig. Das kann ein schleichend schwelender Konflikt werden.

In welchem Lebensabschnitt ist nach Deiner Erfahrung das Trennungsrisiko besonders groß?
Christiane W.: Grob verläuft die Sache so, dass man zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr seine Ausbildung abschließt und sich ausprobiert. Bis 40 stabilisieren wir unsere Fähigkeiten und es kommt zu einer ersten Zwischenbilanz. Dann fragt man sich, ob man da angekommen ist, wo man hingewollt hat. Wo ist der Sinn des Ganzen? Was ist aus meinen Werten geworden? Wir leiden an unserem ungelebten Leben. Das ist erfahrungsgemäß eine schwierige Phase. Dahinter steckt aber etwas Positives, nämlich die Lust, sich zu entwickeln. Das ungenutzte Potenzial drängt an die Oberfläche. Mit 50-60 Jahren stellt sich diese Frage erneut. Auf was kann ich mich berufen? Was ist meine bisherige Lebensleistung? Was will ich noch erreichen, wie finde ich mein Tempo und wo meine Energie? Jeder braucht einen gewissen Raum, um sich positiv zu entwickeln. Der sollte in der Beziehung zur Verfügung stehen. Dann wird man zwar unterschiedlicher, aber zum Schluss zusammen glücklicher.

Welche Tipps kannst Du Unternehmerpaaren für die Pflege ihrer Beziehung geben?
Christiane W.: Das fängt mit der Trennung von Geschäft und Privatleben an. Das Private muss seinen eigenen Raum bekommen. Dann sollten die Paare sich Zeit für Gespräche nehmen und im Austausch bleiben: Geschäftliches in der Firma besprechen, Privates zu Hause. Dafür feste Termine verabreden, damit man am Schluss nicht doch wieder am Abendbrottisch über den Betrieb redet und der private Austausch unter den Tisch fällt. Und ganz wesentlich für ein harmonisches Miteinander sind Dankbarkeit und Wertschätzung dem Partner gegenüber. Damit entsteht positive Energie und alles geht leichter von der Hand.

Gespräch geführt im Oktober 2017

Christiane Windhausen wurde 1958 geboren, ist verheiratet und lebt in Düsseldorf. Sie ist Dipl. Psychologin und arbeitet als Trainerin, Coach, Ausbilderin, Speakerin und Fachautorin.

Ihre Spezialgebiete sind systemische Beziehungsgestaltung in Unternehmen, Teams und Partnerschaften sowie die emotionale Persönlichkeitsentwicklung von Führungskräften.

Publikationen:
Christiane Windhausen, Birgit-Rita Reifferscheidt: Das flüssige Ich – Führung beginnt mit Selbstführung (2012)
Christiane Windhausen: Der Körper als Terra incognita im Change Management. Über die Macht des Physischen in Beratungsinterventionen, erschienen in: OrganisationsEntwicklung. Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Management, 1-2014

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