Ist die Firma eine große Familie?

Kategorie für Sie geschrieben

Es ist kein Geheimnis, dass speziell kleine Unternehmen, die von Paaren geführt werden, besonders attraktiv für Mitarbeiter sind, die „Familienanschluss“ suchen, also einen Arbeitsplatz mit einem gewissen Wohlfühlfaktor. Das ist für Familienunternehmen auch kein Problem. Es kann aber eins werden, wenn die Nähe zu groß geworden ist und dann ein Konflikt entsteht, mit dem Ihr als Chefs nie gerechnet hättet. Es geht um die Frage wieviel Nähe und wieviel Distanz wir in der Führung brauchen.

Die Chefin als Kümmerin

Insbesondere die Chefin ist oft die gute Seele im Betrieb, die sich um die menschliche Seite in der Führung kümmert und versucht, insbesondere schwierige Mitarbeiter durch Fürsorge auf den rechten Weg zu bringen. Das geht vom telefonischen Weckdienst für den ständig zu spät kommenden Azubi bis zur ‚psychologischen‘ Betreuung von Mitarbeitern mit privaten Sorgen aller Art. Dabei entsteht schon mal eine Nähe, die über das hinaus geht, was professionell sinnvoll ist. Besonders kritisch wird es, wenn Mitarbeiter dann Einblick in das Privatleben des Unternehmerpaares bekommen. Zugegeben, das ist nicht immer komplett vermeidbar, gerade, wenn sich Firma und Wohnhaus an derselben Adresse befinden und vielleicht auch noch kleine Kinder im Betrieb ein- und ausgehen. Versucht einfach, so wenig wie möglich Privates in die Firma zu tragen. Stellt Euch immer vor, dass der besonders vertraute Mitarbeiter zum Schluss seine ganz eigenen Interessen hat, die er im Zweifelsfall auch gegen Euch verfolgen wird.

Umgang mit Veteranen

In Traditionsbetrieben kommt es nicht selten vor, dass Chef oder Chefin der nächsten Generation Mitarbeiter übernehmen, die schon dreißig Jahre oder länger im Betrieb sind. „Manche haben mich noch mit dem Dreirad auf dem Betriebshof fahren gesehen“, erzählte uns ein Juniorchef. Das ist eigentlich schön, zeigt es doch die generationenübergreifende Stabilität der Firma. Problematisch wird es, wenn solch altgediente Mitarbeiter glauben, dass ihnen Privilegien zustehen. So wissen wir von Beispielen, wo Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten im Betrieb waren, regelmäßig und ohne zu fragen Arbeitsgeräte entliehen oder sogar Material entwendet haben. Wie geht Ihr damit um, wenn Ihr das bemerkt?

Schwierigen Gesprächen nicht aus dem Weg gehen

Sprecht den Mitarbeiter darauf an, benennt Fakten (also, was wurde wann festgestellt) und fragt nach den Motiven. Weist darauf hin, dass dies ein nicht zu akzeptierender Regelverstoß ist und Ihr im Wiederholungsfall Konsequenzen ziehen müsst. Nun kann es passieren, dass die Einsicht zunächst gering ist. Das sei doch wohl nicht so schlimm, bekommt man dann zu hören. In einem Fall wurde sogar Besserung gelobt, aber es blieb bei der eigenmächtigen Selbstbedienung. Für jeden Chef eine echte, auch emotionale Herausforderung! Wie könnt Ihr so ein Problem lösen? Das geht nur in einem Vier- oder Sechsaugengespräch im Chefbüro.

Schwierigen Gesprächen nicht aus dem Weg gehen

Zunächst gilt es, die Rollen zu klären, gerade, wenn der Mitarbeiter den Chef noch kennt als der noch ein Kind war. Also den Kandidaten ganz klar aus der Chefrolle heraus anzusprechen. Dann im ersten Schritt den Sachverhalt klären und schildern, wie es einem damit geht. Was macht dieses illoyale und firmenschädigen Verhalten mit Euch? Im zweiten Schritt einen klaren Wunsch nach Verhaltensänderung formulieren und Konsequenzen ankündigen, falls diesem Wunsch nicht nachgekommen wird. Am Schluss kann eine mündliche oder schriftliche Vereinbarung stehen, die per Handschlag besiegelt oder unterschrieben wird.

Die Sache mit dem „Du“

Sich bei der Arbeit zu duzen ist in vielen Betrieben üblich. Manchmal gibt es sogar ausgefeilte Regeln dafür, da darf z.B. der Azubi erst nach bestandener Gesellenprüfung „Du“ zum Chef sagen. Wie dem auch sei, es muss immer klar sein, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem professionellen „Du“ bei der Arbeit und einem privaten „Du“ unter Freunden oder in der Familie. Es sollte klar sein, dass die Mitarbeiter mit dem geschäftlichen „Du“ respektvoll umgehen und sich keine Privilegien oder Frechheiten herausnehmen. Das gilt zum Beispiel für den Umgangston und die Ansprache in Teambesprechungen. Eine flapsige Äußerung wie: „Das müsstest Du als Chef doch wohl hinkriegen!“, ist nicht akzeptabel und sollte in einem Vieraugengespräch gleich besprochen werden. Die Rollen müssen unabhängig von „Du“ oder „Sie“ immer klar sein: hier Chef oder Chefin, da Mitarbeiter.

Wenn ein Fall eskaliert

Stellen wir uns einen Mitarbeiter vor, der vor einem Jahr angefangen hat und an den man wegen seiner jahrelangen Berufserfahrung und seinen guten Referenzen positive Erwartungen geknüpft hatte. Das erste Jahr war aber eine glatte Enttäuschung. Bei der Arbeit passierten immer wieder Anfängerfehler, für die es auch noch ständig Ausreden gab. Im Privatleben gab es familiäre Probleme und die Gesundheit stand auch nicht zum Besten.  Lauter Dinge, die Chef und Chefin nicht erwartet hatten. Nun beschlossen sie, dem Kandidaten in die Spur zu helfen. Es folgten lange Gespräche mit viel Verständnis. Ihm wurde eine Brücke nach der anderen gebaut und wegen seiner Gesundheitsprobleme machten sie ihm verschiedene Zugeständnisse. Doch es wurde immer schlimmer. Eine Krankmeldung folgte auf die andere und wenn er wieder im Betrieb anwesend war, blieb es bei der bekannten Schlechtleistung. Das Ende vom Lied war die Trennung. Die Chefin, die sich so viel Mühe mit dem Kandidaten geben hatte schrieb uns: „Mit …… sind wir in anwaltlicher Kommunikation. Das ist zum Jahresende eine sehr unschöne Erfahrung insbesondere für mich gewesen. Das Positive, was ich aus dieser Erfahrung ziehen darf sind die Lernerfahrungen. Sie schaffen mir eine Distanz zu den Mitarbeitern, unseren Weggefährten.“

Wir waren auch nicht perfekt!

Auch wir selbst mussten lernen wie es ist, Menschen, zu denen wir eine große persönliche Nähe hatten, in unsere Firma aufzunehmen. Da haben wir in unserer Wachstumsphase für Marketingaktionen auf die Hilfe von Freundinnen zurückgegriffen. Das führte dann zu einem ungewollten Einblick in unsere Firma und das Hinaustragen von Interna. Einmal stellten wir eine Freundin ein, die ihren Job verloren hatte und für sich alleine verantwortlich war. Wir waren überzeugt „die kann das und die hat eine vernünftige Haltung“. Aber sie konnte es nicht und war eine der ersten, die uns nach Verlust einer Kundenverbindung und den daraus resultierenden Sparmaßnahmen unsoziales Verhalten vorwarf und Privates von uns unter den Mitarbeitern verbreitete. Befreundet sind wir heute nicht mehr.

Manchmal wachsen einem Mitarbeiter auch so sehr ans Herz, dass man sie nicht gehen lassen möchte. Marianne war stets eine strenge Chefin und viele der über 50 Azubis, die sie zu Beratern, Werbekaufleuten oder Bürokaufleuten ausbildet hat, wurden wertvolle Mitarbeiter und haben später tolle Karrieren gemacht. Alle haben gesagt: „Die Ausbildung war hart, aber mir konnte nichts Besseres passieren.“ Wenn solche Leute dann nach der Ausbildung neue Herausforderungen bei anderen Firmen gesucht haben, fiel es ihr schwer, sie ziehen zu lassen, ja sie hat es in einigen Fällen sogar persönlich genommen. Bis sie sich die nötige professionelle Distanz aneignet hat.

Die Moral von der Geschicht‘

Nähe ist das Fundament eines guten Teamzusammenhalts. Sie erhöht die Bereitschaft, sich zu engagieren, auch über das vertraglich geschuldete Maß hinaus. In dem Sinne kann Nähe zu einer produktiveren Zusammenarbeit führen, gerade in kleinen Teams, wo Chefs und Mitarbeiter sich aufeinander verlassen müssen.

Aber die Firma ist keine Familie. Nähe sollte immer eine professionelle Nähe bleiben, die nicht ins Freundschaftliche abgleitet. So darf keine kumpelhafte Atmosphäre entstehen, sonst wird es für Euch als Chefs schwieriger, Euch durchzusetzen und Anweisungen ohne Endlosdiskussionen zu treffen. Zum Schluss müsst Ihr als Chefs darauf vorbereitet sein, die Interessen des Unternehmens über die individuellen Interessen einzelner Mitarbeiter stellen. Sachlichkeit ist angebracht, wenn es zum Beispiel darum geht, wer in die zweite Führungsebene befördert wird. Da geht es nur um Kompetenz und Führungsfähigkeit. Freundschaft darf da nicht ausschlaggebend sein. Also: Nähe, ja unbedingt! Zuviel Nähe, nein, weil sie Euch in der Unternehmensführung behindern und zu Fehlentscheidungen verleiten kann. Achtet insbesondere auf eine klare Trennung von Firma und Eurem Privatleben!

Hier könnt Ihr unsere 10 goldenen Regeln für Nähe und Distanz in der Führung herunterladen!

Related Posts