Im Auto, meine Frau fährt, wir stehen an der roten Ampel. Dann wird es endlich grün, ich sage: „Es ist grün!“. Meine Frau antwortet: „Fahre ich oder fährst Du?“ Sie hätte auch einfach sagen können: „Ich weiß!“ Hat sie aber nicht, und die Stimmung ist ab sofort leicht gereizt. Ein paar Tage später, wieder im Auto, diesmal fahre ich gemütlich mit 100 km/h die Landstraße entlang. Da sagt meine Frau plötzlich: „Hier kann man 120 fahren!“ Ich hätte jetzt antworten können: „Ja, habe ich auch gerade gesehen“, stattdessen sage ich diesmal: „Fahre ich oder fährst Du?“ Resultat: siehe oben.
Anderes Beispiel: Stellen Sie sich mal vor, Sie müssen sich von Ihrem Partner einen Vorwurf anhören oder ein Argument, das Sie gerade nicht wechseln können, und das auch noch in einem Ton, den Sie im Moment gar nicht vertragen. Dann haben Sie ja verschiedene Möglichkeiten. Sie könnten sagen: „Das muss ich mir nochmal überlegen. Können wir das morgen weiterbesprechen?“ Sie könnten aber auch einfach in tiefes Schweigen verfallen, vielleicht aufstehen und den Raum verlassen, je nach Temperament die Tür zuknallen, oder letzte Variante, Sie sagen: „Wenn ich mir sowas anhören muss, dann muss ich mal überlegen, wie lange ich das alles hier überhaupt noch mitmachen soll“.
Wir versuchen zu erklären, was da passiert und stützen uns dabei auf das Kommunikationsmodell des Psychologen Friedemann Schulz von Thun. Er erklärt es auf der Website seines Instituts folgendermaßen:
„Wenn ich als Mensch etwas von mir gebe, bin ich auf vierfache Weise wirksam. Jede meiner Äußerungen enthält, ob ich will oder nicht, vier Botschaften gleichzeitig:
- eine Sachinformation (worüber ich informiere)
- eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe)
- einen Beziehungshinweis (was ich von dir halte, wie ich zu dir stehe)
- einen Appell (was ich bei dir erreichen möchte)
Ausgehend von dieser Erkenntnis hat Schulz von Thun die vier Seiten einer Äußerung als Quadrat dargestellt. Die Äußerung entstammt dabei den “vier Schnäbeln” des Senders und trifft auf die “vier Ohren” des Empfängers. Sowohl Sender als auch Empfänger sind für die Qualität der Kommunikation verantwortlich, wobei die unmissverständliche Kommunikation der Idealfall ist und nicht die Regel.
Die vier Ebenen der Kommunikation:
Auf der Sachebene des Gesprächs steht die Sachinformation im Vordergrund, hier geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte.
Für die Selbstkundgabe gilt: Wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich. Jede Äußerung enthält gewollt oder unfreiwillig eine Kostprobe der Persönlichkeit – der Gefühle, Werte, Eigenarten und Bedürfnisse. Dies kann explizit (“Ich-Botschaft”) oder implizit geschehen.
Auf der Beziehungsseite gebe ich zu erkennen, wie ich zu dem Anderen stehe und was ich von ihm halte. Diese Beziehungshinweise werden durch Formulierung, Tonfall, Mimik und Gestik vermittelt.
Auf der Appellseite geschieht die Einflussnahme auf den Empfänger. Wenn jemand das Wort ergreift, möchte er in aller Regel etwas erreichen. Er äußert Wünsche, Appelle, Ratschläge oder Handlungsanweisungen. Die Appelle werden offen oder verdeckt gesandt.“ (Quelle: http://schulz-von-thun-institut.de)
Wie ist es nun in der Praxis? Kompliziert, weil jede Äußerung unterschiedlich interpretiert werden kann. „Es ist grün!“ kann einfach eine sachliche Information sein, die Ampel ist eben grün. Der Satz kann aber im Sinne einer Selbstoffenbarung auch heißen „Ich habe es eilig!“, oder auf der Beziehungsebene: „Ich kann besser Auto fahren als Du!“, schließlich als Appell: „Fahr los!“ Die Antwort „Fahre ich oder fährst Du?“ zeigt uns, dass der Satz mit dem Beziehungsohr gehört worden ist, vielleicht war das aber gar nicht so gemeint. Dann kann aus einer eher harmlosen Situation ein Teufelskreis entstehen, in dem ein Wort das andere gibt: „Mein Gott, ich habe Dich nicht angegriffen, warum fährst Du gleich die Krallen aus?“ „Weil Du immer an meinem Fahrstil rummeckerst!“ und so weiter.
Ein anderes Beispiel fanden wir im Literaturlexikon wortwuchs.net: Stellen wir uns vor, ein Mann sitzt mit seiner Frau beim Essen. Die Frau hat Königsberger Klopse gekocht und in der Soße schwimmen zahlreiche Kapern, die typisch für dieses Gericht sind. Die Kaper ist klein und grün und seit Jahrhunderten als pikantes Küchengewürz verbreitet. Der Mann sieht die Kapern und fragt: „Was ist das Grüne in der Soße?“. Er meint damit auf den verschiedenen Ebenen:
Sachebene: Da ist was Grünes.
Selbstoffenbarung: Ich weiß nicht, was es ist.
Beziehung: Du wirst es wissen.
Appell: Sag mir, was es ist!
Diese Dinge kommuniziert der Mann mitunter, wenn er diese Frage am Tisch mit vier Schnäbeln (siehe obige Grafik) kommuniziert. Seine Frau kann die Frage nun ebenso auf vier verschiedene Weisen, also mit vier Ohren, hören. Das könnte in etwa folgendermaßen aussehen:
Sachebene: Da ist was Grünes.
Selbstoffenbarung: Mir schmeckt das nicht.
Beziehung: Du bist eine miese Köchin!
Appell: Lass nächstes Mal das Grüne weg!
Im diesem Beispiel sagt der Mann auf der Sachebene das Gleiche, was auch die Frau auf der Sachebene versteht: da ist eine grüne Sache in der Soße. Allerdings sind die anderen Ebenen grundsätzlich sehr verschieden. Die Appellseite, die letztlich kommuniziert, was der Mann von seiner Frau möchte, wird von ihr missverstanden. Dadurch entsteht der Konflikt. Der könnte auch noch weiter eskalieren, wenn die Frau zum Beispiel sagen würde: „Du kannst ja demnächst woanders essen, wenn Dir es hier nicht schmeckt!“ Und damit sind wir wieder am Beginn eines möglichen Teufelskreises.
Der Kommunikationsexperte Paul Watzlawik hat dafür ein berühmtes Beispiel hinterlassen: „Die Frau nörgelt. Der Mann zieht sich zurück. Der Mann zieht sich zurück, weil die Frau nörgelt. Die Frau nörgelt, weil der Mann sich zurückzieht … usw.“ Jeder sieht Ursache und Wirkung der Misere nur aus seiner Perspektive. Deswegen verläuft diese Kommunikation kreisförmig und ergebnislos. Einen solchen Teufelskreis kann man nur selbst durchbrechen, indem man seine eigene Perspektive verändert. Solange man das nur von dem anderen erwartet, ändert sich nichts. Aber: Geht der Mann auf die Frau zu, hört sie auf zu nörgeln. Hört die Frau auf zu nörgeln, geht der Mann auf sie zu.
Generell gilt: Da bei einer Äußerung in den meisten Fällen nur die Sachebene bei Empfänger und Sender identisch ist, kann es zu zahlreichen Missverständnissen kommen. Was kann man also tun?
Tipp: Formulieren Sie möglichst klar und deutlich und klären Sie Missverständnisse sofort auf. Dabei kann das Modell der 4-Schnäbel/ 4-Ohren eine gute Hilfe sein. Und lesen Sie den Text über die gewaltfreie Kommunikation nach Marschall Rosenberg.